Leseproben aus dem Buch "Reisen im Auftrag preussischer Könige gezeichnet von Julius von Minutoli"

Kap. 4. Sonderaufträge - Das Skizzenbuch der Skandinavien-Reise 1835

Drontheim und Umgebung

Die Stadt Drontheim lag das malerisch schön und verkehrsgünstig an einer Meereseinbiegung des Atlantischen Ozeans, dem Drontheimsfjord, und der Mündung des Nidelv(en)-Flusses. In einem Brief an seine Frau berichtete JvM: … die Wunder, mit denen die Natur Christiana ausgestattet. … Die Minutoli-Brüder fuhren am 28. Juni 1835 in die Stadt Drontheim (heute Trontheim) hinein und suchten sich ein Quartier. Wie auch in Preußen üblich, mussten sie sich zuerst polizeilich melden. Die Drontheimer Lokalzeitung führte unter den 30 im Zeitraum zwischen dem 26. bis 29. Juni in Drontheim eingetroffenen Reisenden eine aus dem Regierungsrat Minutoli und Herrn Minutoli, Lieutnant Graf von Egloffstein aus Berlin sowie den englischen Bürgern John Wilkie und Mr. James Middleton bestehendeGruppe auf.[1] Der Regierungsrat war Julius Minutoli; denn Alexander war noch nicht fest im Staatsdienst. JvM hat die Reisegruppe gezeichnet. (Zb 1, Blatt 37: Egloffstein  Middleton Barry  Wilkie  Alex. Julius). ...

Am 28. beobachtete Julius Schiffer bei der Arbeit am Lachs reichen Drontheimsfjord und zeichnete ein Aquarell. (Zeichenbuch 1, Blatt  49) An seine Frau schrieb JvM: … als meine Arme sich über den paradiesischen Fjord von Drontheim ausbreiteten . Norwegens erste Hauptstadt, eine der ältesten Städte Skandinaviens, hieß einst Nidaros und ist bis heute Krönungsstadt.

Die Minutoli-Brüder kamen am 28. Juni über die breite Munkegate auf die vom Nidstrom umflossene Halbinsel mit dem Nidaros-Dom. Der Dom ist einer der bedeutendsten Sakralbauten Skandinaviens. Noch am Tag ihrer Ankunft zeichneten beide Minutoli-Brüder die Kathedrale unter großem Zeitdruck unter Ausnutzen der Mitternachtssonne scheinbar um die Wette aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Einer der ältesten erhaltenen Teile war vermutlich die Capelle am Oktogon an der Ostseite, der des Sonnenaufgangs. Die Kapelle zeigte die Form des sakral bedeutungsvollen byzantinischen Achtecks.[2] Julius zeichnete den Anbau von außen. Ihm war klar erkennbar, dass hier der romanische Rundbogenstil schon in Ansätzen zum gotischen Spitzbogen übergegangen war und somit ein Beispiel für die frühe Gotik in Nordeuropa war.[3] … (Zeichenbuch 1, Blatt 35: Capelle am Dom in Drontheim, den 28. Juny 35). Von Vorteil war, dass die Abendsonne den Dom von der Westfront beleuchtete, der Seite, zu deren Bau 1248 der Grundstein gelegt worden war. Vorrangig erschien JvM. die Zeichnung der Außenansicht von der Westseite des Doms mit Resten von Skulpturenschmuck. (Zeichenbuch 1, Blatt 5) Er vermerkte dies bei der Beschriftung seiner Zeichnung als Abendseite. …

Auf dem Kirchturm ist jedoch kein Kreuz, wie es bei oberflächlicher Betrachtung erscheint, weil man es dort erwarten würde. Die Vergrößerung zeigt, dass auf dem Kirchturm ein optischer Telegraph installiert worden war. Ein von dem Abt Claude Chappe mit seinen Brüdern entwickelter optischer Telegraph bestand aus einem 5 m hohen Holzgerüst mit Mast. An ihm war am oberen Ende ein 4,62 m langer und 0,35 m breiter, um seinen Mittelpunkt schwenkbarer Balken befestigt, der Regulator. An jedem Balkenende war ein 2 m langer schwenkbarer Arm, der Indikator, mit einem Gegengewicht befestigt. Die Stellung der Hebearme konnte über auf Rollen laufende Seile entsprechend einem Sémaphoren-/Winker-Alphabet verändert werden: So konnten 196, später 225 Zeichen, Buchstaben, Zahlen, Wörter und Sätze übermittelt werden. … Die Nachrichtenübertragung war zwar schnell, aber funktionierte nur bei Tag und guten Sichtverhältnissen; denn die nächste Nachrichtenstation war auf einem Berg oder einem hohen Gebäude in etwa 11 km Entfernung. [4] Der Telegraph auf dem Drontheimer Kirchtum war ein fortschrittlicheres Modell mit drei Signalarm-Paaren übereinander. JvM hat seine oberen Signalarme in heftiger Bewegung gezeichnet; das bedeutet, es wurde gerade eine Nachricht zum nächsten hoch gelegenen Punkt übermittelt. Als über den Handel forschender preußischer Beamter beherrschte JvM vemutlich das Winkeralphabet. Dennoch dürfte es ihm schwer gefallen sein, die schnelle Zeichenfolge auf drei Ebenen als Nachricht in einer fremden Sprache zu entschlüsseln.[5] Die Vergrößerung des Turms zeigt an dieser Stelle die Kombination einer Architekturzeichnung mit einer technischen Skizze: Die Einsicht durch eine dreieckige Fensteröffnung in das Innere des mit Brettern ausgekleideten Turms zeigt den unteren Teil des Telegraphen mit dem schweren Gegengewicht. Von hier unten wurde die Bewegung der Signalarme über auf Rollen laufende Seile betätigt. Pro Minute konnte die Nachricht 125 km weit übermittelt werden. Das Innere ist jedoch nicht so detailliert dargestellt, dass man zur Überzeugung kommen könnte, JvM habe den Kirchturm … von innen besichtigt. Er hat vermutlich nur mit dem Fernglas in den Turm geschaut. In und auf den niedrigeren seitlichen Türmen sind ebenfalls zwei optische Telegraphen montiert worden. Der Südwestliche hat allerdings nur ein Paar Signalarme, sodass man annehmen kann, dass es die Vorgängermodelle sind. Die Türme wurden demnach nicht aus kirchlichen, sondern vorrangig aus militärischen Gründen wieder aufgebaut, damit man den optischen Telegraphen optimal plazieren konnte und das alte Mauerwerk wieder Stabilität erhielt. …



[1] Staatsarchiv Trontheim. Zeitung vom 26.-29. Juni 1835. … Eigentlich war der 1804 geborene Mr. Barry Ire, aus Balynagall in Westmeath. Später wurde er Senior-Bibliothekar bei Queen Victoria. Dieser Kontakt wurde später für Alexander v.Minutoli bedeutsam. Die Fotos seiner Kunstgewerbe-Sammlung aus dem Jahr 1857 werden heute noch in der Bibliothek des Royal Albert Museums in London aufbewahrt.

[2] Laut der antiken Philosophie war das Oktogon diejenige Form, die den himmlich-göttlichen Kreis mit dem für das Menschliche stehenden Quadrat verband. Architektonisch war der Vorläufer der berühmte Turm der 8 Winde in Athen aus dem 1. Jh. vor unserer Zeitrechnung. In Konstantinopel war das Oktogon in die christliche Architektur eingegangen.

[3]Er war in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an der östlichen Dom-Seite an den Chor angebaut worden.

[4] 1833 war die aus 61 Stationen bestehende Telegraphenlinie zwischen Berlin und Koblenz fertig gestellt worden.

[5] 1833 hatten Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber schon einen elektromagnetischen Telegraphen entwickelt, der Nachrichten über Drahtleitungen weitergab.



S. 52: Zu den in größerer Höhe an der Außenseite angebrachten grotesken Figuren gehörte die archaisch wirkende Skulptur einer nackten Frau, die ihr durch eine Spalte angedeutetes Geschlecht prasentierte.245 Mit diesem eindeutigen Fruchtbarkeitssymbol wies sie vermutlich auf die sehr alte Fruchtbarkeitsgottin Freyja, die Anführerin der Götterfamilie der Vanen in der Edda hin. Diese nordische Göttin der Liebe und Lehrerin der Magie war schon vor den aus dem Osten eingewanderten Vorstellungen von den Wikingergöttern, vor Odin, da. Hier wurde die bedeutendste Göttin der nordischen Mythologie noch nicht als Schönheit dargestellt.246 Damit hatten die Minutoli-Bruder einen weiteren Beweis für die Integration des heidnischen Schamanenkults an christlichen Kirchen gefunden. Offensichtlich wurden lokale Bildhauer eingesetzt, die ihre alten mythologischen Kulturvorstellungen mit der neuen vereinigten. So bekam das nordeuropäische Christentum einen eigenen mythologischen Charakter.

Kapitel 8.3. Das Zeichenbuch einer Reise durch Europa bis Nordafrika ...

Minutoli war in der Lage, auch sprachlich lebensfrische Lichtbilder zu liefern! (Der Rezensent seines 1843 erschienen Buches Georg Varrentrapp.) Hier folgt ein Beispiel dafür:

 

Minutoli in Spanien im Theater: Der spanische Nationaltanz

Textseite 98/99:

... Der Vorhang fliegt auf - da stehen sich beide, Tänzer und Tänzerin gegenüber, unbeweglich, den linken Arm in die Seite gestemmt, den rechten nachlässig herabhängend. Beide im reichsten andalusischen Kostüm. Er mit Schnallenschuhen, seidenen Strümpfen, kurzen engen Hosen mit farbigen Kniebändern, in der bunten goldgestickten Seidenweste, der braunen silberbesetzten, mit Schulterquasten reich verzierten, runden Samtjacke, den seidenen Gürtel umgeschlungen, Netz und Hut oder Barett auf dem Kopfe. Sie, die Tänzerin im Hütchen oder Blumenkranz, einem weit ausgeschnittenen, in Gold und Silber gestickten Mieder, kurzem, mit Flittern gestickten Rock, und seidenen Strümpfen.

Beide Teile der Musik werden nun mit ganzem Orchester noch einmal durchgespielt; gegen Ende des 2. Teils erhält das Tänzerpaar Leben; Arme, Kopf, Hals und Unterleib bewegen, biegen und wiegen sich, und mit dem vollen Takte ist Alles entfesselt, Alles in Aufregung, das Blut siedet, das Auge rollt, die Brust hebt sich, Leben und Glut, Sinken und Steigen, Suchen und Finden, Fliehen und Folgen, Fallen und Halten in ewigem Wechsel, aber Alles mit Grazie, immer im Takte, immer in zierlichen Stellungen ...

 

Die kursiv geschriebenen Zitate stammen aus Julius von Minutolis 1843 als Buch in geringer Auflage veröffentlichter Promotionsarbeit.

Von Cadiz in Spanien nach London

S. 121:

Von Cadiz aus wollte sich JvM nach Southampton einschiffen. Er berichtete:[1]Als ich in Cadiz in das Büro der englischen Compagnie trat, um einen Platz zur Reise nach England zu erstehen, fand ich Alles auf dem ersten Platz besetzt, so dass 21 Passagiere schon keine Betten mehr erhalten und für die Dauer der Reise auf Sofas, Stühle und den Fußboden angewiesen waren. In derselben Lage mit mir: französische Familie des Herrn L., der spanische Maler v. M. aus Murcia, mit seiner liebenswürdigen Gattin und Frl. Charlotta, einem musikalischen Genie, das im Conservatoire in Paris gebildet, und eben in Madrid, Cordova und Cadiz reiche Lorbeerkränze geerntet, und die Gattin des Direktors der großen Oper von Lissabon, Signora M...y mit ihrer Tochter, welche einige Jahre in Calcutta gelebt hatte. Diese Personen gehörten sämtlich der guten Gesellschaft an. Es wurde eine achttägige Seereise ohne Bequemlichkeit und Bett. Der Chef des Büros riet ihnen, auf den 2. Platz zu gehen, zwei besondere Kabinen zu wählen. Sie zahlten 14 Pfund, also 100 Taler pro Person und haben gemeinschaftlich ihr Schicksal ertragen. Der Preis des 1. Platzes betrug 140 Taler.

Die Cajüte war schmutzig bis zum Exzess, die Schlafkabinette ohne Fenster, dumpfig und übel riechend, die Betten aus Matratze und unsauberer wollener Decke, ohne alles Leinenzeug bestehend, das Tischtuch schmutzig und zerrissen, Messer und Gabel ungeputzt, der Mittagstisch aus dem Abbub, Knochen und Brocken des ersten Platzes ; Wild, Gemüse, Früchte für den Mittagstisch waren zur Seite gebracht worden und wurden in Körben nach der Landung vom habgierigen Schiffsvolk verkauft. … Zum Waschen in den Kabinen war kein Geschirr vorhanden als eine blecherne Mehlspeisenform. … Zu dem für unsere Tafel bestimmten Geflügel gehörten auch 50 rote Rebhühner, die in Oporto an Bord kamen, die aber der Steward unter das Bett der Madame L. steckte, wo sie nach einigen Tagen einen unerträglichen Gestank verbreiteten … wir mussten uns deren Gesellschaft bis nach Falmouth gefallen lassen.Der Warenschmuggel funktionierte durch die Umhüllung magerer Menschen; beim Zoll waren die Kisten leer.

Das Schiff landete in dem - seit der Römerzeit berühmten - Hafen an der Südküste Englands, in Southampton.[2] JvM fiel ein übermüdeter Mann mit struppigem Haar auf, der fast im Stehen zu schlafen schien. Er sah trotz des gut geschnittenen Mantels mit dem hohen Mantelkragen durch seine straff nach hinten gekämmten fettigen, lange nicht von einem Friseur geschnittenen Haare und den zahnlosen Unterkiefer so skurril aus, dass JvM ihn zeichnete. (-> Zb 2, Seite 2) … Die genussvoll geschlossenen Augen suggerierten, dass der Mann das Getränk in seinen Händen nicht nur genießt, sondern auch sehr selten bekommt. Diese dezente Art, Armut zwar darzustellen, jedoch so, dass dem Menschen seine Würde nicht genommen wird, macht JvM sympathisch.

Am neuen Terminus in Southhampton bestieg JvM die ab 1834 erbaute Eisenbahn der London and South Western Railway Company(L&SWR), um über Winchester, Basingstoke, Shapley Heath, Woking in Richtung London zu fahren. Es war eine sehr interessante Strecke, deren Teilstück zwischen Winchester und Basingstoke erst im Mai 1840 eröffnet worden war; denn es mussten drei Brücken über die Flüsse Itchen, Test und Loddon gebaut sowie vier Bergrücken untertunnelt werden. Die Bahnstrecke endete 1842 noch in Surrey.[3]

Die letzte Wegstrecke nach London musste JvM noch mit dem Pferdebus zurücklegen. Die lange Aufenthaltszeit in Surrey verbrachte JvM damit, einen Blick in die berüchtigten Schifferkneipen in den Hafenanlagen an der Themse zu werfen. Hier gab es raue Männer, die besonders hart im Nehmen waren; denn seit dem 18. Jahrhundert starteten hier auch die Walfänger-Schiffe in die Arktis.[4]

JvM bestieg in Surrey einen eleganten Bus. Es erstaunte ihn, in dunkler Nacht plötzlich in eine neue Welt, erleuchtet wie am Tage hinein zu fahren. Die englischen Gaswerke hatten zwar auch in Berlin seit 1826 eine Versorgung mit Straßenlaternen durchgeführt, aber wegen der preußischen Sparsamkeit nur an exponierten Plätzen an Straßen Aufträge dazu erhalten. Die Kontraste zwischen Luxus, Verschwendung, Armut und Elend prallten in London so heftig aufeinander, wie JvM es noch nirgendwo gesehen hatte. Nach demenglischen Armengesetz gab es von der Regierung weder materielle noch finanzielle Unterstützung. Die Vertreibung auffälliger Armer aus dem Stadtbild wurde durch eine in Preußen unbekannte Institution effizient bewerkstelligt:Alle zwei- bis vierhundert Schritt ging in den Hauptstraßen ein Straßenpolizist ruhigen Schrittes auf und ab, kenntlich allein an dem Schnitt des Fracks, über den bei Regenwetter ein kurzer Wachstaftkragen gehängt wird, an der Nummer und dem Gürtel um den linken Arm. Ohne zu sprechen hielt seine Gegenwart überall Ordnung. Dreitausend dieser Beamten sollen in London täglich auf den Straßen sein. ... Der Eindruck ihrer Erscheinung wirkt selbst auf Trunkene und Wütende augenblicklich, wo bei uns zu Lande Faust und Säbel oft vergeblich die Autorität zu sichern vermag.[5]Das System dieser uniformierten Schutzpolizisten, der sogenannten Peelers oder Bobbies, beruhte auf deren Erfinder Sir Robert Peel,der ab 1829 die polizeiliche Überwachung Londons reorganisiert und die Metropolitan Police gegründet hatte. Zuvor hatte er als Innenminister die Kriminalgesetzgebung neu geordnet, so dass weniger Todesstrafen ausgesprochen wurden, das Gefängniswesen durch Entlohnung der Gefängniswärter und die Ausbildung der Insassen reformiert. Ab 1835 waren alle Städte im Vereinigten Königreich angewiesen worden, eigene Polizeikräfte zu bilden.

Eine der Ursachen für diese Maßnahmen war die Chartisten-Bewegung für politische Reformen. …

 

[1][5] Julius Rudolph von M-- Dr.: Die neuen Straf- und Besserungssysteme, 1843, S. 298f..

Minutoli beim ältesten christlichen Volk, den Armeniern

Kap. 14.4.4. Von Tiflis zum ältesten christlichen Volk, den Armeniern

Von Tiflis aus ging die Reise auf dem Landweg weiter durch das Kaukasus-Gebirge in ein Land zwischen der Türkei und Persien, Armenien. Die Armenier waren das älteste christliche Volk; denn im Jahr 301 (oder 303) hatte Trdat III./der Große, der König der Armenier aus der Linie der indogermanischen Arsakiden, in seinem Herrschaftsgebiet das Christentum eingeführt. [1] Im 19. Jahrhundert gehörte Armenien politisch zur Türkei.

Nachitschewan war durch das angebliche Grab des alttestamentarischen Noah ein Wallfahrtsort. Durch Brugsch erfahren wir, daß die preußische Mission am 6. April im Haus des Schuldirektors für einige Tage Quartier nehmen durfte.[2] An Ostersonntag besuchten sie dort die griechische Kirche. Der Geistliche überreichte Minutoli ein großes Stück geweihtes Brot.

JvM stellte die Reise bis hierher in seinem dienstlichen Bericht unter anderen Aspekten als Brugsch dar.

 

 

[3]                                                                                                                   Nachitschewan im Caucasus, d. 9. April 1860

Kgl. Mission in Persien                                                                      An den… Minister … Schleinitz

Ankunft an der Persischen Grenze, No. 53                                     II 7654 pr. 10 Mai 1860

Eurer Excellenz verfehle ich nicht, ganz gehorsamst anzuzeigen, daß ich mit meiner Begleitung unter dem Schutze des Reise-Commissars und unter militärischer Exkorte glücklich an der persischen Grenze angelangt bin.

Der zu meinem Empfange in Dschulfa dirigirte Reise-Marschall ist dort noch nicht eingetroffen, weil er mit seinem Gefolge bei Choi von den Kurden überfallen und vollständig ausgeplündert worden ist. Der Prinz General Gouverneur von Täbris ist durch einen Courier von meiner Anwesenheit hierselbst in Kenntnis gesetzt. Morgen kann die Antwort hier eintreffen. Ich benutze die Zeit, um durch Beschaffung der nothwendigen Pferde, Reit- und Packsättel, und Diener alles zur möglichst schnellen Weiterreise vorzubereiten.

Die Reise von Tiflis hierher ist nicht ohne Gefahren zurückgelegt, da der späte Winter die Gebirgsübergänge fast unbefahrbar gemacht hat. Die berüchtigte Passage beim Goktscha-San erforderte 400 Arbeiter, welche unsere Wagen durch und über die täglich fallenden Lawinen gruben und tragen mußten. Unmittelbar hinter uns haben neue Lawinen wiederum den Weg auf einige Zeit völlig gesperrt.

Die Russischen Behörden haben Alles aufgeboten um die kgl. Preußische Mission zu nutzen. Sämmtliche Militair- und Civilbehörden auf der ganzen Tour meldeten sich in großer Uniform und begleiteten stationsweise die Wagen. Ehrenwachen und Posten überall – die eingeborenen Fürsten und Clane mit ihren Vasallen und bewaffneten Leuten waren nach den betreffenden Stationen beschieden, und wir langten hier mit einem Gefolge von etwa 80 reich gekleideten und bewaffneten tartarischen und armenischen Reitern unter der Anführung Ismael Khans an. Ein glänzendes Gefolge, die hiesigen Russischen Militair- und Civilbehörden werden nur auch bis über den Araxes auf persisches Gebiet das Geleit geben, um den Persern zu zeigen, in welcher Weise der Kaiser von Rußland die Preußische Gesandtschaft durch seine Staaten befördert hat.

Bei alle dem sind nicht allein die Reisekosten, sondern auch die Verluste sehr erheblich, die zur Beförderung unseres Gepäcks benutzten Telegas sind so schlecht und unpraktisch, daß die in Tiflis und Eriwan reparirten Koffer und Kisten völlig zertrümmert und der Inhalt beschädigt und fast unbrauchbar geworden ist.

Von Täbris aus werde ich weiter zu berichten die Ehre haben.                    vMinutoli

 

 

 



[1] Herodot berichtete, die Bevölkerung sei im 7. Jahrhundert aus Phrygien eingewandert. Nach der Eroberung durch Perser, Alexander den Großen und Parther war es für kurze Zeit die römische Provinz Armenia. Die Römer stritten sich mit den Nachfolgern der Parther, den Sassaniden, um Armenien. Der Name des Trdat III. heißt lateinisiert Tiridates. Trdat III. wird manchmal als Trdat IV. bezeichnet.

[2] Brugsch, Heinrich: Reise der preußischen Gesandtschaft nach Persien, Bd 1, 1860/61, S. 143f. Nachschewan gilt als der erste Wohnsitz und Begräbnisplatz des alttestamentarischen Noah.

[3] GSTA PK, III. HA , I, Nr. 8001, II 7654 pr. 1860.

 

 

 

Kap. 14: Minutoli als erster deutscher Ministerresident in Persien

Depesche an den Prinzregenten Wilhelm über den Besuch beim Schah Nasredin

S: 357:

In der zweiten Depesche an den Prinz Regenten Wilhelm von Preußen beschrieb der preußische Minister Resident Julius von Minutoli seine zweite Audienz beim persischen Schah Nasreddin:

 

Légation de Prusse en Perse

                                                                               Rustem Abad, d. 1ten Juni 1860

 

An Seine koenigliche Hoheit den Prinzen Regenten von Preußen Berlin

                 Depesche No. 4[1][1]

Inhalt:                                                  A. 2920.pr. 9. Juli 1860                   II.11583.pr.7. Juli 1860[1][2]

Zweite Audienz beim Schah,

vom Kriegsschauplatze

Ankunft des Premier Lieutnant von Grolman

Übersiedlung nach Schimran

 

Allerdurchlauchtigster Prinz Regent,Allergnädigster Prinz und Herr!

Am 29. Mai war ich zu S. K. M. dem Schah zur Audienz beschieden, um die von Eurer Kgl. Hoheit demselben übersandten Uniformen Preußischer Garde Kavallerie vorzuzeigen und Erläuterungen dazu zu geben. Die Sache hatte sich ohne meine Schuld verzögert, wozu Verstimmungen beigetragen hatten, über deren Veranlassungen ich besonders an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten berichtet habe.

S.M. der Kaiser hatte gewünscht Soldaten in die Preußischen Uniformen gekleidet zu sehen, und zu diesem Zweck eine Anzahl groß und schöner Leute zur Auswahl mir zugesandt. Es handelte sich dabei aber nicht allein um den Anzug, sondern um die Nothwendigkeit, den Leuten eine möglichst militärische Haltung beizubringen, wie sie nach unseren Begriffen vom Soldaten unzertrennlich ist. Gerade aus diesem Grunde ließ es sich mein Kammerdiener, der bei den Garde-Husaren gedient, und von großer Figur ist, nicht nehmen die Uniform der Garde de Corps selbst anzulegen, und demnächst die übrigen Kavalleristen in Haltung, Schritt und Wendungen möglichst einzuführen.

Es machte nicht geringes Aufsehen, als demnächst im Gefolge der Kgl. Gesandtschaft die Preußische Kavallerie im Paradeanzug durch die Thore der Stadt und des Palastes einritt, und durch den früher schon beschriebenen Rosengarten dem Kaiserliche Kioske, wo der kleine Audienzsaal befindet, zuschritt.

Der Schah, durch die dem Garten zugewandte geöffnete Wand des Saales schon von weitem sichtbar, schien uns mit Ungeduld zu erwarten und setzten den Oberceremonienmeister, der nicht aus dem gravitätischen Schritt zu fallen und die in bestimmten Entfernungen anzubringenden tiefen Verbeugungen abzukürzen wagte, durch ungeduldige Zeichen zur baldigen Annäherung in nicht geringe Verlegenheit. Als ich dem Saale mich näherte, winkte mir S. M., ließ mich dicht herantreten und befahl, daß die Kavallerie trotz Spornstiefel und Kanonen dicht heran rücken sollte, was auch zum Entsetzen der in Strümpfen herumschleichenden Ceremonienmeister, Minister und Kammerherren gleichem dröhnenden Schrittes geschah.

Der Kaiser strahlte vor Vergnügen. Mit dem größten Interesse betrachtete, untersuchte und befühlte  er Alles, und hörte den Erläuterungen mit dergespanntesten Aufmerksamkeit zu. Das Material an Tuch, Leder und Metall setzte ihn in große Verwunderung. Er war überrascht, daß das Tuch in Preußen fabricirt, erstaunt über das zu Helmen, Stiefeln, Hosen, Bandelieren und Handschuhen verwandte Kernleder; entzückt über die Form und Art der Waffen.

Der Helm und Harnisch der Garde Corps zog die besondere Bewunderung S. M. auf sich; jede Schnalle wurde geöffnet und die Frage mehrfach wiederholt, ob denn die ganzen Regimenter in gleicher Weise und in demselben Material gekleidet seien. Die Kugelprobe im Harnisch beschäftigte den Schah lange Zeit. Er öffnete selbst den Küraß, um von innen den Einschuß der Kugel fühlen zu können und erklärte die Sache mehreren seiner tief gebückt herumstehenden Ministern. Es wollte S. M. gar nicht einleuchten, daß die Güte der Waffen so sorgfältig im Einzelnen rprobt würde. Dreimal wiederholte er die Frage, ob ich überzeugt wäre, daß eine Flintenkugel nicht durch den Harnisch flöge, und auf meine Antwort ergriff er den Karabiner; rief nach Pulver und Blei, um sogleich selbst, zum Entsetzen meines Dieners, dem der Harnisch wieder festgeschnallt worden war, den Versuch an ihm zu machen.

S. M. stand von diesem Vorhaben nur auf meine Versicherung ab, daß die Kugel ohne Zweifel recochattiren, und irgend Jemanden im Zimmer, vielleicht S.M. selbst treffen und verwunden würde.

Demnächst ward der Karabiner einer speziellen Untersuchung gewürdigt. Der Kaiser ist Kenner von Gewehren und ein trefflicher Schütze: Er war im hohen Grade erbaut von der tadellosen Arbeit, und versicherte, daß seine hier von den Franzosen errichtete Gewehrfabrik solche Karabiner nicht liefern könne. Die Mitteilung über die preußischen Zündnadelgewehre interessirten S.M. in hohem Grade, und er äußerte den lebhaften Wunsch, ein solches zu sehen und zu besitzen.

Hierauf kam der Ulan an die Reihe. Die Höhe, Leichtigkeit und Wirkung der Lanze fesselte längere Zeit die Aufmerksamkeit des Schahs, und ich mußte demselben das ganze Excerier Reglement mit der Lanze vormachen; und namentlich die Drehungen dreimal wiederholen. S.M. ließ es sich nicht nehmen, Höchstselbst einen Versuch zu machen und dabei Allerhöchsteigenständig einige Glasblumen vom Kronleuchter abzustoßen.

Die leichte Kavallerie, deren Uniform und Verwendung kam dann an die Reihe, und führte zu einem Vortrage über die Pferdezucht in Preußen und des Königs Gestüte.

Auch die Artillerie Uniform, insbesondere der Helm, gefielen und gaben Stoff zu einer eingehenden Schilderung dieser Waffe und der Armee Organisation überhaupt. S. M. hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu; sichtbar imponirt durch die mitgetheitlten Daten und  bedauerte, von den Uniformen der Preuß. Infanterie nicht eine gleiche deutliche Anschauung zu besitzen.

Als ich die Erlaubnis fragte, Eurer Kgl. Hoheit den Wunsch des Kaisers mittheilen zu dürfen, ersuchten mich S.M Allerhöchst Ihnen, mein Prinz, seinen Gruß und seinen besonderen Dank für die Uniformen zu wiederholen, und die Bitte hinzufügen, auch von der Garde Infanterie Uniformen und Waffen zur Kenntnisnahme und zu  Vergleichen mit den hier eingeführten hersenden lassen zu wollen. Zuletzt ward ein Soldat in Mütze, Stallhose, Flachs und Mantel vorgestellt.

Nachdem diese Besichtigung zwei volle Stunden gedauert ließ der Kaiser die Soldaten und Anwesenden mit Ausschluß des Ministers des Äußeren abtreten; dankte mir für meine Hülfe und Gefälligkeit, und bemerkte mir, wie ihm der Minister einen speciellen Vortrag über unsere Unterhaltung in Betreff der augenblicklichen Lage in Europa gehalten. Wie S.M. wünschten, diese Unterhaltung mit mir fortzusetzen, und meine Ansicht über die etwaige Rückwirkung der europäischen Politik auf die Zustände und Zukunft Persiens entgegen nehmen, auf mein Urtheil über einzelne Verwaltungszweige der hiesigen Regierung zu hören.

Demnächst ward ich huldvoll entlassen, nachdem mir angedeutet, daß S.M. eine spätere Wiederaufnahme dieser Unterhaltung sich vorbehielten. ...



 

[1][2] GStA PK, III. HA , I, Nr. 8001.II.11583.pr.7. Juli 1860. Rustem-abad in der Provinz Gilan im Nordwesten Persiens heißt heute Rostamabad.

Minutoli als Forscher in einer Höhle auf dem Demawend

S. 366 f.:

Der Ministerresident und Generalkonsul plante für die bevorstehenden Monate September, Oktober, November eine Reise nach Süden über Hamadan, Isfahan nach Schiraz, um mehr von dem Inneren des Landes zu sehen und dessen Leute besser kennen zu lernen. Man riet dem Eltschi aus Frangistan davon ab, im Herbst zu reisen, bezeichnete eine solche Reise sogar als gefährliches Unternehmen. Warum wurde jedoch nicht genau erklärt.[1][1] Minutoli war der Meinung, dass eine Besteigung des Berges Dema(sch)wend sie reisefest machen würde.

Der erloschene Vulkan Demavent[1][2] - 70 km nordöstlich von Teheran in der Provinz Mazanderan - war der höchste Berg des Elburs-Gebirges und teilweise ganzjährig von Schnee bedeckt. Er überragte alle übrigen Berge bei weiten; doch seine genaue Höhe kannte man damals noch nicht. Mancher hatte den Gipfel geklommen, aber kaum einer hatte bislang einen Blick in den Krater geworfen. Da die Angaben früherer Reisender über die Höhe des Kraterberges zwischen 14.000 und 21.000 preußischen Fuß, also zwischen 4.396 m und 6.594 m schwankten, wollten Minutoli diese wissenschaftlich bestimmen. Er nahm dazu zwei Quecksilberthermometer, deren eine Skala nach Fahrenheit und die andere nach Reaumur geeicht war, ein Barometer und zwei trefflich gearbeitete englische Hygrometer mit, die von zwei berittenen persischen Dienern transportiert wurden.

Gegen Ende des Sommers war die Hauptsaison für die Besteigung des Demavent. Von Teheran reiste die aus sieben Europäern und ihren Dienern bestehende Karawane, Julius von Minutoli, seinem Neffe Wilhelm von Grolmann, Dr. Heinrich Brugsch, dem Dolmetscher Dr. Pietrazewski, den drei Mitgliedern der englischen Mission, Watson, Dr. Dolmage[1][3] und Fane, zwei deutschen und 20 persischen Dienern, Soldaten und Krawanenknechten ins Lar-Tal. Sie hatten neun Reitpferde und 22 Maultiere zum Transport der Reisenden und des Gepäcks dabei. Bei einer Rast zeichnete Minutoli den Demawend vom rechten Ufer des Lasau-Flusses.[1][4]

Auf 6.000 Pariser Fuß über dem Meeresspiegel lag an der östlichen Seite des vulkanischen Bergkegels das Dörfchen Abi-Germ, das sie am Donnerstag, den 26. Juli 1860, erreichen. Sein übersetzter Name bedeutet Warmbrunn. Wie in Schlesien wies der Name darauf hin, dass aus der Erde, hier aus einer Felsspalte heißes Wasser sprudelte. Minutoli maß die Wassertemperatur und notierte 52 Grad Reaumur. Das Quellwasser wurde in Bassins geleitet, in dem männliche Perser stundenlang sitzen blieben. Für Frauen und Kinder gab es überdachte Räume. Die Karawane zog an den Wiesen mit Schatten spendenden Bäumen vorbei, unter denen nackte Perser lagerten, sich aus- oder ankleideten. Ein Perser äußerte laut, sie wollten die bis Frengistan hin weitberühmte Heilkraft der heißen Quelle erproben. Sie fragten Einheimische, wie hoch sie noch bis zum Gipfel klettern mussten. Keiner konnte es ihnen sagen. Minutoli heuerte sechs Führer an. Einer hatte den Berg angeblich siebenmal mit Europäern bestiegen.

Als die Führer am nächsten Tag kamen, waren ihre Füße mit Ziegenfellen umwickelt. In den Händen hielten sie Stöcke, die sie auch an die Europäer verteilten. Trotz der Hitze bestiegen sie am nächsten Tag um 12 Uhr mittags die Maultiere, um den Gipfel des Demaschwend zu erklimmen. An der steilen Bergwand musste beinahe alle 10 Schritte Halt gemacht werden, um den Maultieren Erholung zu gönnen. Nach stundenlangem Klettern erreichten sie den Gipfel. Minutoli notierte in seinem Tagebuch: Dicht vor ihnen lag der schneeige Gipfel des dunkelschattigen Kegels, der sich hier von der Spitze aus wie eine breite Masse zu strahlenförmigen Ausläufern abdachte, die im Tale des Halaß steil abfallen, während am anderen Ufer des genannten Flusses eine grell vom Sonnenglanz erleuchtete, die Augen blendende Felsmasse in mächtiger Höhe empor stieg, hier und da, zur halben Höhe hin, mit reichlicher Vegetation, ja sogar mit menschlichen Wohnungen bedeckte schräge Plateaus zeigend. ...Noch mussten auf einem unbeschreiblich steinigen und gefahrvollen Wege mehrere Quellen passiert werden, ehe man kleinste Plateau erreichte, wo auf einige Tage das Lager aufgeschlagen werden sollte. Während das Zelt hinter einem Steinwall aufgestellt wurde, zeichneten der Ministerresident und sein Sekretär den Demawend vom Lagerplatz aus, Minutoli den Obersten Kraterkegel, Brugsch den Kegel des Demawend.

Nach dem Sonnenuntergang kam eisiger Wind auf, der sie im Zelt Schutz suchen ließ. Die Mehrzahl der Expeditionsteilnehmer klagte über Brustbeklemmung, wahrscheinlich eine Folge der verdünnten Luft. Minutoli machte schon vor dem Frühstück dort oben naturwissenschaftliche Experimente: Um sieben Uhr maß er eine Außentemperatur von 44 °F. und stellte fest, dass Wasser schon bei 190° F. siedete.[1][5]

Am 29. Juli begann die eigentliche Besteigung des Demawend von Süden her, also über die angeblich leichteste Strecke. Erst nach drei Stunden beschwerlichem Weg über Steinblöcke gelangten sie an den eigentlichen Lavakegel. Dort war das Klettern über halbflüssige Schneelagen nur mit äußerster Vorsicht möglich. Der ermüdendste dritte Teil der Besteigung führte über schlüpfriges Geröll. Es war eisig kalt. Trotz der vielfachen Beschwerden, von denen am meisten die Atmungswerkzeuge betroffen wurden, forderte Baron von Minutoli die übrigen Reisenden zur Überwindung des letzten, freilich schwersten Hindernisses auf und ging auf einstimmige Akklamation mit dem besten Beispiele voran. Beinahe todmüde quälten sie sich eine Stunde lang über ein Schneefeld, unter dessen wässriger Oberfläche sich tiefe Spalten und Schlünde bergen konnten. Nachdem der Kamm erklommen war, erhob sich vor ihnen wieder ein neues ansteigendes Schneefeld. Als auch dieses überwunden war, sahen sie den eigentlichen kegelförmigen Gipfel, der durch eine glänzende Schwefelkruste gelblich grün schimmerte. Aus jeder Felsspalte sahen reine Schwefelkristalle heraus, an welchen sich wieder Schnee- und Eisblumen angesetzt hatten, die in grünlichem Farbenglanze spielten. Beim Besteigen des Kegels machten sich die erhöhte Erdwärme unter den Füßen und der Schwefelgeruch in auffallendster Weise bemerkbar.Die Nordostseite des Kegels fällt steil ab und es tritt zwischen der Asche und dem Schwefel Trachyt zu Tage. Um 1 Uhr mittags erreichten sie den mit Schnee gefüllten Krater. Er senkte sich auf 20-30 Fuß. Durch seine Mitte lief, mutmaßlich durch zwei scharfe Winde gebildet, ein sich 8 Fuß erhebender Damm von Schnee, im Zentrum einen rechten Winkel bildend. Die Farbe des Schnees im Krater selbst war blaugrün, ob durch den Reflex der dort zu Tage liegenden Schwefelstufen oder durch irgendwelche Einflüsse der Atmosphäre gebildet, muss dahin gestellt bleiben.

Durch Probleme mit meist salzigem, schlechtem Wasser oder Durchfall durch Früchte wurden sie nacheinander krank. Der englische Arzt in der Gruppe bemühte sich um Abhilfe. Heinrich Brugsch verwaltete die Reiseapotheke mit dem Chinin und Bullrichs-Salz. Zusätzlich machten ihnen an manchen Stellen übel riechende giftige Schwefelgase zu schaffen. Sie wussten, dass sie nun vermutlich in der Nähe der von Professor Carl Ritter im VI. Band seines Werks Erdkunde von Asien auf der Ostseite erwähnten Schwefelhöhle waren. Sie fanden deren Eingang von 2 1/2 Fuß Höhe. Minutoli machte Aufzeichnungen. Das Innere mochte acht Fuß lang und 4 Fuß breit sein und war hoch genug, um aufrecht darin stehen zu können....Die Quelle, welche in der Höhle zu Tage kommt, floß zur Zeit nicht. In der Höhle selbst wie rings umher lagen Schwefelstufen von verschiedener Größe und Reinheit. Minutoli maß die Temperatur: + 7 ° Reaumur. Der Fußboden war so durchgewärmt, dass man sich an manchen Punkten nicht hinsetzen konnte. Die Untersuchungen in der Höhle waren schwierig. Sie benötigten fast zwei Stunden, um das Wasser für die Hygrometer durch Alkohol, Kohlen und Massen von Papier zum Sieden zu bringen. Der Sicherheit wegen wurden die Beobachtungen mit beiden Hygrometern angestellt. Das Mittel betrug bei 41°F der Lufttemperatur 177,3°F des siedenden Wassers. (19,34°C Lufttemperatur, Siedepunkt des Wassers bei 83,63°C) Daraus errechnete Minutoli eine Höhe von 18.000 preußischen Fuß, das entspricht heute 5.652 m. Leider hatten die persischen Diener das mitgeführte Barometer durch Schütteln und Umdrehen untauglich gemacht, so dass sie die genaue Höhe des Demaschwend damit nicht bestimmen konnten. (Daher ist es umso erstaunlicher, dass Minutolis errechneter Höhenwert nur 18 m unter dem heute anerkannten Höhenmaß von 5.670 m lag!) Minutoli schrieb für die Leipziger Illustrierte, er hoffe, dass Physiker in der Heimat aus den Angaben Folgerungen in Bezug auf die wahre Höhe des Berges ziehen möchten. Nach 8-stündiger Fortbewegung in eisigem Wind und einer Stunde Rast stiegen sie erschöpft wieder zum Zeltplatz hinab. Dann kehrten sie für einen Monat nach Teheran zurück, um sich von den Strapazen zu erholen.




 

 

Auf den Spuren der Arier - König Dareios I., Xerxes ...

S. 378f.:

Naksch-i-Rustem und Persepolis

Es war genau geplant, daß die preußische Gesandtschaft am 15. Oktober 1860, dem Geburtstag des Königs Friedrich Wilhelm IV., die Ebene von Persepolis betreten solle. Da die neuesten Zeitungsmeldungen von einer Verschlechterung seines Zustandes berichteten, beging die preußische Gesandtschaft <seinen Geburtstag in stillen Erinnerungen> an ihn.[1][1]Minutoli dachte an die Geburtstagsfeiern, an denen er persönlich hatte teilnehmen dürfen.

Julius von Minutoli und sein Neffe Wilhelm von Grolman ritten in der Morgenkühle auf besonders schnellen Pferden, um vor der langsamen Karawane ohne Zeitverlust diejenige Reste des Altertums kennen zu lernen, welche in der Nähe der Persepolitanischen Ruinen und auf den Bergen gelegen sind. Der deutsche Karthograf in dänischen Diensten, Carsten Niebuhr[1][2], war auf seiner Forschungsreise 1765, also fast 100 Jahre zuvor, hier gewesen. Seine in Carl Ritters Buch aufgenommene Wegbeschreibung war wegen der vielen Wegbiegungen nicht einfach nachzuvollziehen, sodass sie einen Führer mitnahmen.[1][3]

An einer steilen Felswand an der Grenze des Tafel des Rostam[1][4](Naksch-i-Rostam/Naqsch-e Rostam)genannten Plateaus hatte sich zuerst der GroßkönigDareios I.[2][5]sein Felsengrab in von weitem sichtbarer Kreuzform einhauen lassen.[3][6]Das Innere der drei Königsgräber im königlichen Berg und die in den Fels gemeißelten Räume waren in einer Höhe, die ungemein schwer zugänglich war. Das Relief über dem Eingang zeigte den über dem Großkönig schwebenden Gott Ahura Mazda beim Überreichen des Ringes der Macht/Herrschaft. Dieser steht auf einem Podest, das von 28 Völkern des Persischen Großreiches getragen wird. Der Mittelteil der Darstellung zeigte die Fassade eines Palastes.[4][7]Der Eingang in die Grabkammer des Darius I. wurde von zwei Säulen auf jeder Seite eingerahmt. Die monumentale Inschrift, die schon Carsten Niebuhr abgezeichnet hatte, wies dreierlei Schriftzeichen auf: griechische, eine persische Keilschrift mit Trennzeichen für die Wörter und eine weitere. [5][8]Die persische Keilschrift war anhand der Abschriften durch Carsten Niebuhr in Persepolis 1802 durch Georg Friedrich Grotefend entschlüsselt worden. Julius v. Minutoli konnte den griechisch geschriebenen Text übersetzen.[6][9]

Er schrieb in sein Tagebuch: Über den Kyros ritten wir nach den Marmorbrüchen von Naksch-i-Rustem, nahmen die achämenidischen Königsgräber, die Felsskulpturen der Sassaniden, die Säule, die Sonnenaltäre, den Feuertempel[1][10], die Opferstelle in Augenschein und ritten mit einem großen Umweg, um die Sümpfe des Thales zu umgehen, nach Naksch-i-Redscheb, den Felsenreliefs in einer großen Grotte, sahen den Marmorbau einer großen Grabterrasse und ritten nach Persepolis, wo wir das Lager an einer Freitreppe bereits aufgeschlagen fanden.

Der kranke Vizekonsul Heinrich Brugsch hatte für das Lager den Platz am Fuß der großen Doppelfreitreppe aus schwarzem Marmor unterhalb der Pfeiler mit den zwei Riesensphinxen, die einst das Palastportal bildeten, ausgewählt. Da sie nach 10tägigem anstrengendem Marsch einige Tage dort bleiben wollten, waren die Zelte schon vor Minutolis Ankunft mit den besten Teppichen ausgestattet worden, damit sich jeder möglichst häuslich und bequem einrichten konnte. Die preußische Flagge war in der Mitte des Platzes aufgezogen worden. Es wurde gekocht und gebraten, gegessen und getrunken. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft schlugen Nomaden ihre braunen Zelte auf. Sie brachten ihnen Brot und Milch. Der Ort, an dem sie sich befanden, hieß bei den Persern nicht Persepolis (Stadt der Perser), sondern nach einem Stadtgründer der Frühzeit Tacht-e-Dschamschid (Thron des Dschamschid). Diesen Namen verwendete Carl Ritter für den Palast von Persepolis.[1][11]Jeder in der Gesandtschaft nutzte die zwei Tage dort, um in Persepolis umher zu wandern, besondere Sehenswürdigkeiten zu notieren und unvergeßliche Eindrücke mit in die Heimat zu nehmen. Sie fanden Reste von 14 Gebäuden auf einer Terrasse, die am Fuß es Berges Kuh-e-Rahmat von verschiedenen Herrschern, von Darius I., Xerxes, Artaxerxes I. und II., errichtet worden waren. …



[1][1]Den Winter 1858/59 hatte der König in Italien und den Sommer 1859 in der Heimat seiner Frau am Tegernsee verbracht. Königin Elisabeth, die ihren Mann seit dem Herbst 1857 aufopfernd pflegte, war der Überzeugung, dass die Krankheit in den aufregenden Märztagen 1848 ausgebrochen sei. Man war bei Hof der Meinung, dass der damalige Polizeipräsident 1848 die Ängste des Königs und der Königin geschürt habe. Der König überstand im Herbst 1859 zwei Schlaganfälle. Danach war er linksseitig gelähmt.

[1][2]Niebuhr, Carsten (1733-1815), Mathematiker, Karthograf, Forschungsreisender. Er war der Vater des mit dem preußischen Kronprinzen befreundeten Althistorikers und Diplomaten Barthold Georg Niebuhr.

[1][3]Heute wird die Entfernung von Naksch-i-Rostam nach Persepolis mit 6 km angegeben.

[1][4]Bevor europäische Forscher die Inschriften im 19. Jahrhundert entziffert und den Sinn des Reliefs erkannt hatten, waren die Perser der Meinung gewesen, dass es sich um Darstellungen des persischen Nationalhelden Rostam handle und hatten den Ort nach ihm benannt.

[1][5]Großkönig Dareios I. (549-486 v.Chr.)

[1][6]Das Achämenidenreich war das erste, das altpersische Großreich. Es dauerte vom späten 6. Jh. v.Chr. bis zum späten 4. Jh v. Chr.. Kyros II. (*?- 530 v.Chr.) ließ sich auch zum König von Babylon krönen. In Personalunion herrschte der im Land der Perser und der Meder. Unter ihm konnte das Reich von Persis bis Pakistan und Kleinasien expandieren. Sein Sohn Kambyses unternahm 525 v.Chr. einen Feldzug gegen Ägypten. Ihm folgte der Großkönig Dareios I. (*?- 485) auf den Thron und konnte die Reichsgrenze bis zur Donau verschieben. Er entwickelte eine eigene persische Keilschrift. Ihm folgten Xerxes, Ataxerxes I, Dareios II., Ataxerxes der II. und III. Unter Dareios III. beendete Alexander der Große 330 v. Chr. die Herrschaft der Achämenidenkönige.

[1][7]Man glaubt heute, dass es ein Palast in Persepolis war. JvM hatte 14 Reste von Palästen in Persepolis gefunden.

[1][8]Die von König Darios I. eingeführte altpersische Keilschrift enthielt Trennzeichen. Die zweite Schrift war die parthische.

[1][9]Im dritten Feldzug, als wir gegen Karrhai und Edessa vorstießen und Karrhai und Edessa belagerten, da marschierte Kaiser Valerian gegen uns, und es war mit ihm eine Heeresmacht von 70.000 Mann. …

[1][10]Angeblich war das Avesta (Gesetz oder Zarathustras lebendiges Wort) genannte heilige Buch der antiken Perser im Feuertempel in Persepolis aufbewahrt worden. Auf dem Pilaster zur altpersischen Kulturentwicklung im Neuen Museum in Berlin war das Buch von einem geflügelten Engel getragen an der zentralen Wendestelle der Kultur aus der mythologischen vorschriftlichen Frühzeit in die Zeit der bis höchsten Kulturentwicklungsstufe führenden schriftlich festgelegten Gesetze präsentiert worden.

 


[1][1]Die erste und dritte Depesche ist nicht in diesen Akten zu finden. Es ist denkbar, daß sie an die Königin Elisabeth weitergleitet wurde und in ihren Akten zu Minutoli aufbewahrt wurden. Diese enthielten solch brisanten Inhalt, dass sie diese sofort nach dem Ableben des Königs Friedrich Wilhelm IV. aus dem Aktenschrank des Königs entnommen und versteckt hat. Angeblich hat die Akten von Minutoli und dem Polizeipräsidenten Hinkeldey verbrannt. Die Akten von Hinkeldey hat die Autorin jedoch im HStA PK gefunden.

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[7][11] Ritter, Carl: Die Erdkunde im Verhältnis zur Natur und zur Geschichte des …, Bd 8, S. 883: Takht i Dschemschid.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt:                                    

Dorothea Minkels,

1. Vorsitzende der Minutoli-Gesellschaft Berlin e.V.

Oranienburger Chaussee 40 B

D-13465 Berlin              

Mail: dminkels@t-online.de